„Mitarbeiterbindung funktioniert nicht nur über das Portemonnaie“

stv. Pflegedirektorin Bonifatius Hospital Lingen

Wie gelingen die Gewinnung und -bindung von Pflegekräften im Krankenhaus? Darüber sprach die stellvertretende Pflegedirektorin des Bonifatius Hospitals Lingen, Christiane Neehoff-Tylla, im Interview mit unserem Verbandsmagazin kkvd aktuell.

kkvd aktuell: Landauf, landab beschreiben Krankenhäuser die Zunahme von Leiharbeit als Problem. Wie schaffen Sie es, in Ihrem Krankenhaus auf Leiharbeit zu verzichten?

Christiane Neehoff-Tylla: Wir kennen das Problem, viele Krankenhäuser sind gezwungen, auf Leiharbeit in der Pflege zurückzugreifen. Was wie eine flexible Lösung zur vorübergehenden Kompensation personeller Engpässe klingt, ist unserer Meinung nach eine Sackgasse, aus der Krankenhäuser mitunter nur schwer wieder herauskommen. Meist steigt die Spannung im hauseigenen Team, da die Zusammenarbeit oft eher holperig als hilfreich ist. Wo beispielsweise das Leiharbeitspersonal nicht alle Schichten oder Aufgaben übernehmen will, fühlt sich das Stammpersonal zurückgesetzt und benachteiligt.

Wir haben uns daher bewusst entschieden, auf Leiharbeit in der Pflege zu verzichten. Dazu braucht es viele Maßnahmen, die ineinandergreifen. Grundlegend ist eine entsprechende Personalausstattung, was angesichts des Fachkräftemangels natürlich kein leichtes Unterfangen ist. Aber bisher gelingt es uns gut, auf den meisten Stationen die Stellenpläne zu erfüllen. Besonders wichtig ist es uns, Auszubildende und Studierende durch frühzeitiges Anwerben für uns zu gewinnen. Auch bei der Akquise von Fachkräften aus dem Ausland sind wir sehr aktiv: Sie ist ein Weg, um dem Pflegenotstand vorzubeugen. Modernes Bewerbermanagement und ein vielfältiges Onlinemarketing gehören mittlerweile dazu.

Darüber hinaus haben wir ein systematisches Ausfallmanagement für kurzfristige Personalengpässe und einen Pflegepersonal-Pool für längerfristige Ausfälle implementiert. Bei weiteren Personalengpässen greifen wir auf organisatorische Maßnahmen – wie eine interdisziplinäre Belegung – zurück, so dass die betroffenen Stationen entlastet werden, die Patientenversorgung aber weiterhin gewährleistet ist. Die Akquise von Personal aus dem Ausland ist auch ein Mittel gegen den Pflegenotstand.

Wie erreichen Sie die Menschen im Ausland, und welche Argumente locken sie zu Ihnen?

Christiane Neehoff-Tylla: Die Auslandsakquise ist ein herausfordernder und spannender Weg. Wir haben ein Maßnahmenkonzept entwickelt, das Pflegefachkräften aus dem Ausland einen guten Start, eine strukturierte Einarbeitung und eine langfristige Integration ermöglicht. Sie erhalten von uns umfangreiche Unterstützung – vom ersten Tag an. Unser Integrationsbeauftragter begleitet die Pflegefachkräfte in den ersten Monaten sehr intensiv und steht ihnen dauerhaft als fester Ansprechpartner zur Seite. Darüber hinaus haben wir einen strukturierten Onboarding-Prozess, der beispielsweise Hospitationen auf unterschiedlichen Stationen und ein systematisches Einarbeitungskonzept für den Pflegedienst enthält.

Unsere internationalen Fachkräfte werden pflegefachlich von unseren Praxisanleiter:innen auf den Stationen begleitet. Der Integrationsbeauftragte bereitet sie unter anderem auf die Mentalität und die Kultur in Deutschland vor; auch für organisatorische Dinge, wie Behördenformalitäten, steht er zur Seite. Außerdem organisieren wir für die internationalen Pflegekräfte Sprachkurse, um die Deutschkenntnisse immer weiter zu verbessern. Auch der Vorbereitungskurs für die Kenntnisprüfung wird von uns organisiert und unterstützt. Die Auslandsakquise funktioniert aber nur mit unserem sehr guten heimischen Team und den Praxisanleiter:innen auf den Stationen. Besonders in den ersten Monaten stehen sie den Mitarbeitenden aus dem Ausland Tag für Tag zur Seite, leiten an, beantworten Fragen, dolmetschen und integrieren sie ins Pflegeteam.

Das Gewinnen neuen Personals ist die eine Seite, seine Bindung die andere Seite der Medaille. Welches Konzept verfolgen Sie, um Mitarbeitende langfristig für Ihr Krankenhaus zu begeistern?

Christiane Neehoff-Tylla: Wichtig für die Mitarbeiterbindung sind das Arbeitsumfeld, das Arbeitsvolumen und natürlich auch die Arbeitsorganisation. Teamarbeit und flache Führungsstrukturen gehören als entscheidende Faktoren dazu. Viele Pflegefachkräfte brauchen eine persönliche, gute Arbeitsatmosphäre.

Durch innovative Konzepte und eine stetige Prozessoptimierung wollen wir unseren Mitarbeitenden trotz der hohen Arbeitsanforderungen gute Arbeitsbedingungen bieten. Daneben gilt es auch, den medizinisch-technischen Fortschritt zu berücksichtigen und hier immer einen Schritt voraus zu sein. Unsere Pflegedokumentation ist fast vollständig digitalisiert, wir arbeiten mit ergonomischen, mobilen Arbeitsplätzen. Als nächsten Schritt werden wir Tablets für die Mitarbeitenden in der Pflege einsetzen. Darüber hinaus haben wir sehr gute Strukturen für unsere Mitarbeitenden im Bereich der Personalentwicklung. Strukturierte Einarbeitung, Mitarbeitenden-Jahresgespräche, Fort- und Weiterbildungen sowie Traineeprogramme für Führungskräfte gehören für uns dazu. Karrieremöglichkeiten durch persönliche Entwicklung und fachliche Weiterbildung sind Pflegefachkräften besonders wichtig.

Außerdem haben wir viele Maßnahmen umgesetzt, die eine gute Work-Life-Balance unterstützen, wie beispielsweise die mindestens zwei Monate im Voraus getaktete Dienstplanung, ein systematisches Ausfallmanagement, um das Abrufen aus dem Frei zu reduzieren, und den Pflegepersonal-Pool, der individuelle Arbeitszeiten ermöglicht. Zudem werden gemeinsame Betriebsfeste und -fahrten sowie Firmen-Fitness angeboten. Gute und zuverlässige Pflegefachkräfte bleiben den Unternehmen lange treu, wenn mehr getan wird, als nur auf zusätzliche Benefits zu schauen. Mitarbeiterbindung funktioniert nicht nur über das Portemonnaie. Es braucht viele Stellschrauben.

Gute Arbeitsbedingungen und ein fairer Umgang miteinander sind solide Voraussetzungen, um Personal zu gewinnen und zu binden. Welche Vorteile haben Sie als katholisches Krankenhaus?

Christiane Neehoff-Tylla: Die Pflege und das Miteinander in unserem Haus ist geprägt durch das christliche Menschenbild. Es sieht den Menschen in seiner Einzigartigkeit unabhängig von Religion, Volkszugehörigkeit, Geschlecht oder gesellschaftlichem Ansehen.  Das Bonifatius Hospital bietet den Mitarbeitenden sichere Arbeitsplätze mit tariflicher und leistungsgerechter Vergütung und den gesetzlichen und kirchlichen Sozialleistungen. Wir achten auf die Gesundheitsfürsorge und geben jedem:jeder Einzelnen, wenn erwünscht, Hilfestellung in schwierigen Situationen – ganz nach unserem Leitmotiv „den Menschen verbunden“.

Eine Stärke unseres Pflege- und Funktionsdienstes ist die gemeinsame und aktive Gestaltung von Arbeitsprozessen – immer verbunden mit gegenseitiger Achtung, Wertschätzung und Fairness. Zudem gibt es in unserem katholischen Krankenhaus eine Mitarbeitervertretung (MAV). Als gewählte Vertreter:innen bringen ihre Mitglieder die Interessen der Mitarbeiterschaft gegenüber dem Dienstgeber zur Geltung. Die Zusammenarbeit von MAV und Bonifatius Hospital zeichnet sich durch ein lösungsorientiertes Miteinander aus. Ein weiterer Vorteil unserer katholischen Einrichtung ist es – trotz der rasanten Weiterentwicklung von Medizin und Technik –, eine familiäre und christliche Unternehmenskultur zu pflegen.

Das Interview erschien Ende November in „kkvd aktuell“ Ausgabe 3/2022 und wurde von Markus Lauter geführt.