Härtefallfonds weder nach Höhe noch vom Mechanismus her der Lage gerecht

Bank fuer Sozialwirtschaft – Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Harald Schmitz

Als Spezialbank verfügt die Bank für Sozialwirtschaft (BfS) über tiefes Wirtschaftswissen zu Unternehmen, Einrichtungen und Organisationen in den Bereichen Gesundheit, Soziales und Bildung. Im Gespräch mit unserem Verbandsmagazin “kkvd aktuell” sieht Harald Schmitz, Vorstandsvorsitzender der Sozialbank, zum Beispiel große Herausforderungen im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht und in der Regulatorik des Finanzsystems.

kkvd aktuell: Nur noch drei Prozent der Krankenhäuser bewerten ihre wirtschaftliche Lage als gut. Von dem für sie bereitgestellten Härtefallfonds kommt nur ein Bruchteil der Mittel bei den Kliniken an. Wie schauen Sie derzeit auf die Krankenhausbranche? Welche Möglichkeiten sehen Sie, ihre Lage zu verbessern?

Prof. Dr. Harald Schmitz, Vorstandsvorsitzender der BfS

Harald Schmitz: Die Krankenhausbranche steht vor einem historischen Transformationsprozess. Dieser ist aber nur in Teilen durch die Pandemie, Inflation und Energiepreissteigerungen begründbar. Vielmehr zeigt sich bereits seit vielen Jahren, dass unser ausschließlich auf Fallzahlen basierendes Vergütungssystem nicht in der Lage ist, eine hochwertige flächendeckende Versorgung dauerhaft zu sichern. Zudem zwingen der sich seit langem abzeichnende Fachkräftemangel und die notwendige Ambulantisierung von Leistungen die Krankenhäuser zu einem Strategiewechsel.

Investitionen werden nicht wie gesetzlich vorgesehen ausreichend finanziert. Kurzfristige Kostensteigerungen können nicht weitergegeben werden. Die zwingend notwendige Finanzierung der Transformation in neue Angebotsstrukturen ist nicht vorgesehen. Eine Reform der Finanzierungssystematik ist schon lange überfällig. Die derzeitigen Reformüberlegungen gehen zwar in die richtige Richtung, sie reichen aber nicht aus, um die kurz- und langfristigen Herausforderungen zu bewältigen. So bedarf es einer Finanzierung der Transformation über viele Jahre, insbesondere in ländlichen Regionen. Eine pauschale Verteilung des Härtefallfonds von nun 2,5 Milliarden Euro wird weder der Höhe nach noch vom Mechanismus der Lage gerecht.

Viele kommunale Krankenhäuser bekommen Finanzspritzen aus steuerfinanzierten Haushalten der Kommunen, um Defizite aufzufangen. Freigemeinnützige Kliniken in aller Regel nicht – welche Möglichkeiten und Alternativen sehen Sie?

Die kommunal- und landespolitisch nachvollziehbare Defizitfinanzierung durch steuerfinanzierte Eigenkapitalzuführungen oder Gesellschafterdarlehen führt zu einer Verstärkung der ohnehin ungleichen Rahmenbedingungen unter den Krankenhausträgern.

Große private Konzerne können sich bisher sehr gut über den Kapitalmarkt finanzieren. Freigemeinnützige Träger haben in aller Regel keine finanziellen Ressourcen mehr, um ihre Einrichtungen zu stützen. Die Aufnahme von Fremdkapital scheitert immer häufiger auch daran. Gleichzeitig ist die für Banken sehr wichtige Kapitaldienstfähigkeit angesichts der unsicheren Finanzierungsbedingungen immer öfter nicht mehr nachweisbar. Ohne weitere Maßnahmen würde die Krankenhausplanung immer häufiger durch das Insolvenzrecht vollzogen mit unabsehbaren Folgen für die flächendeckende Versorgung.

Gibt es Bedarf, auch weitere politische Rahmenbedingungen zu ändern, um die freigemeinnützige Trägerform zu erhalten beziehungsweise zu unterstützen? Wenn ja, welche?

Insgesamt ist es dringend geboten, Planungssicherheit zu verschaffen und nicht in Aktionismus zu verfallen. Um das erfolgreiche, mit dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) 1972 fixierte gleichberechtigte Nebeneinander von öffentlichen, freigemeinnützigen und privaten Trägern zu erhalten, sind wieder gleiche Bedingungen für alle zu schaffen. Der gewaltige Investitionsbedarf für die Strukturtransformation, die Umsetzung von Nachhaltigkeitsanforderungen und die Digitalisierung müssen zwar grundsätzlich mit öffentlichen Mitteln finanziert werden. Ohne die Aktivierung von privatem Kapital wird dies aber nicht möglich sein. Daher sollten neue Wege gegangen werden, die allen Trägern Zugang zu privatem Kapital ermöglichen. Das gilt insbesondere für die gemeinnützigen Träger, zu denen auch die öffentlichen gehören. Daher stellen sich Herausforderungen im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht ebenso wie in der Regulatorik des Finanzsystems. Beispielsweise gehören Krankenhäuser nicht zur finanzregulatorisch privilegierten Infrastruktur.

Die Bundesregierung plant eine grundlegende Reform der Krankenhausvergütung. Durch den verstärkten Einsatz von Vorhaltekostenpauschalen soll die „Ökonomie“ zurückgedrängt werden. Wie bewerten Sie die derzeit auf dem Tisch liegenden Pläne?

Ökonomisches Handeln bedeutet, mit knappen Ressourcen optimale Ergebnisse zu erzielen. Daher ist die Ökonomie im Gesundheitssystem systemimmanent. Die gesonderte Finanzierung von Vorhaltekosten ist zwingend notwendig. Mit der Einführung eines DRG-Systems vor 20 Jahren, mit dem weltweit einmalig das gesamte Budget über Fallpauschalen verteilt wird, war klar, dass eine Systemergänzung zur Finanzierung der Vorhaltung notwendiger Strukturen früher oder später notwendig wird. Im Detail sind die Vorschläge der Regierungskommission noch zu optimieren. Gleiches gilt für die Ausgestaltung der Level in der Kombination mit Leistungsgruppen.

Aus Sicht einer Bank: Herrscht genug Transparenz über die Verwendung der Erlöse im Krankenhausbereich? Wie beurteilen Sie die Debatte über eine Begrenzung der Gewinnausschüttung für Krankenhäuser?

Die Transparenz im Krankenhausbereich ist vergleichsweise hoch, nicht zuletzt auch durch die Arbeit des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK). Die Abkehr vom ineffizienten Selbstkostendeckungsprinzip in den 1980er- und 1990er-Jahren hat enorme Effizienzreserven gehoben. Sparsames Wirtschaften wurde belohnt, weil politisch gewollt Gewinne entstehen durften. Das ist auch ein wesentlicher Grund für den starken Anstieg des Anteils privatgewerblicher Träger seitdem und die Mobilisierung des dahinterstehenden Kapitals. Gewinne sind auch betriebswirtschaftlich zwingend notwendig, um investitions- und innovationsfähig zu bleiben.

Unterschiede gibt es in der Gewinnverwendung. Bei gemeinnützigen Trägern dürfen Gewinne nicht ausgeschüttet werden. Sie verbleiben zweckgebunden im System. Es gibt also dort keine Eigenkapitalrendite. Die Fremdkapitalverzinsung wird dagegen als selbstverständlich anerkannt. Letztlich geht es um die Frage, wie neben öffentlichen Mitteln weiteres Kapital für das notwendige enorme Investitionsvolumen mobilisiert wird. Eine risikoadjustierte Verzinsung wird es geben müssen. So wären auch spezielle Fonds vorstellbar, deren Mittel als Nachrangdarlehen an Krankenhäuser vergeben werden. Diese könnten durch öffentliche Mittel oder privates Kapital gespeist werden. Für privates Kapital wäre vermutlich eine zumindest teilweise Absicherung durch die öffentliche Hand notwendig, um die Verzinsung in einem für das System akzeptablen Niveau zu halten.

Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für die Sozialbank? Was ist zu tun, um Krankenhäuser als stabile Säule in unserem Gemeinwesen zu erhalten und zu stärken?

Seit mittlerweile 100 Jahren stehen wir als Finanzier und Berater an der Seite der Leistungserbringer in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft. Und das wird auch so bleiben. Unsere Eigentümer, die Wohlfahrtsverbände, stehen mit uns für diese Kontinuität. In diesen 100 Jahren gab es viele, teils existenzielle Krisen in der Sozialwirtschaft insgesamt, aber auch im Krankenhausbereich. Wir werden weiterhin alles uns Mögliche tun, um auch die Herausforderungen dieser Zeit gemeinsam mit unseren Kunden zu bewältigen. Leider macht es uns die zunehmende Regulatorik im Bankensektor nicht immer leicht. Wichtig ist es, mit vereinten Kräften dafür zu kämpfen, dass politisch langfristige Strategien entwickelt und umgesetzt werden, um unsere gemeinwohlorientierte Trägervielfalt zu erhalten. Das wird aber nur mit ökonomischem und medizinischem Sachverstand zu erreichen sein, nicht mit Dogmatik.

Viele Krankenhausträger haben in den vergangenen Jahren, insbesondere in ländlichen Gebieten, teils hohe Verluste in Kauf genommen, um – in der Hoffnung auf eine auskömmliche Finanzierung in der Zukunft – die Versorgung aufrechtzuerhalten. Auch das darf nicht vergessen werden.

Prof. Dr. Harald Schmitz ist seit 2014 Vorstandsvorsitzender der Sozialbank mit Sitz in Köln und Berlin, lehrt an der Universität Köln und ist in mehreren Aufsichtsgremien von Unternehmen im Gesundheits- und Sozialwesen.

Das Interview erschien der Ausgabe Mai 2023 von “kkvd aktuell” und wurde von Rainer Middelberg geführt.